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Jasmin Tabatabai erlebt die Tragödie der Anden-Indios als bildgewaltiges, mystisch entrücktes Requiem von Trauer und Erlösung.
“Khadak”, der letzte Film des Regie-Duos Peter Brosens und Jessica Woodworth, führte in die Mongolei, dieser nach Altiplano, ein entlegenes Hochland der peruanischen Anden. Wieder ist es eine meditativ-spirituelle Reise geworden und mehr: berückende und entrückte Filmkunst zum Genießen.
Zwei Handlungsstränge entfalten sich parallel, verknüpfen das Schicksal zweier Frauen, die nach traumatischen Verlusten ihrer Trauer unterschiedlichen Ausdruck verleihen. Jasmin Tabatabai hat als Kriegsfotografin Grace im Irak aus nächster Nähe die Exekution ihres ortskundigen Führers erleben müssen, sucht verstört bei ihrem Mann, dem Arzt Max (Olivier Gourmet), in Belgien Trost. Dieser reist zu einem Arbeitseinsatz nach Turumpampa, einem Anden-Dorf, wo Quecksilber aus Goldminen die Einwohner vergiftet. Unter den Opfern ist auch Ignatio, der Verlobte von Saturnina (Magaly Solier), die, als Proteste ihres Dorfes von Soldaten niedergeschlagen werden, ein radikales Opfer bringt. Als aufgebrachte Einwohner, die die hilflosen Ärzte für ihre Misere verantwortlich machen, Max töten, reist Grace an den Ort und findet die Tragödie eines ganzen Volkes vor.
Für fast alles, was geschieht, gibt es natürliche Ursachen – etwa die Ausbeutung der Minen durch die Gringos und Erblindungen durch das giftige Quecksilber – , aber Brosens und Woodworth verhüllen sie, setzten auf das Rätselhafte, auf Symbole, die den berauschend schönen Film der Realität entrücken, ohne ihre bittere Tragik zu verleugnen. Die schroffe, weite Natur bildet, aufgenommen in langsamen Kamerabewegungen, zusammen mit der sparsam eingesetzten, sakralen Musik den Hintergrund für eine Elegie, die katholischen Marienglaube und Naturreligion zu einer cineastischen Prozession verbindet, an der man sich kaum satt sehen kann. Wenn zu Beginn mit der Marienstatue die Hoffnung zerbricht, schwebt über den Menschen ein böses Omen, das erst durch das schockierende Opfer Saturninas, der Hüterin der Jungfrau, gebannt wird. Die Meditation über Trauer, die in Hoffnung mündet, nimmt Anleihen beim magischen Realismus, entwickelt aber ihre ganz eigene ästhetische Richtung: ein berauschendes Oratorium, versehen mit der Kraft eines mystischen Erlebnisses. tk.

“Altiplano” ist ein lyrischer und eindrucksvoller Film wie aus einer anderen Sphäre, der bildgewaltig die einzigartige Atmosphäre und Kraft der peruanischen Hochebene einfängt. Magaly So, die die Saturnina verkörpert, war die gefeierte Hautdarstellerin des diesjährigen Berlinalegewinners “La Teta Austada”. “Altiplano” ist der zweite Spielfilm von Brosens & Woodworth.